Editorial der Künstlerischen Leitung 2026

Neuigkeiten / 1.12.2025
© in the headroom

Verehrtes Publikum,

«Der Geist dieser Musik wird vielleicht mitbestimmend für die Musik der Zukunft sein»,
wird Prof. Otto Ulf im Almanach der Ambraser Schlosskonzerte 2013 zitiert.

Wer hätte sich damals, als 1976 unter seiner Ägide die erste «Woche der Alten Musik» und im folgenden Jahr
die «1. Festwoche der Alten Musik» in Innsbruck zelebriert wurden, träumen lassen, wie prägend
und langanhaltend sich dieser Geist über die Jahrzehnte gestalten würde?
Aus einer Woche wurden Wochen, aus einer reinen Konzertreihe ein Festival mit allem, was das Herz begehrt, aus einer Idee
eine Erfolgsgeschichte, die die Entwicklung der Alten Musik Szene über die Jahrzehnte begleitete und in guten Teilen wegweisend mitprägte.

Wenn wir uns also die Frage stellen «Was feiern wir?», dann liegt die Antwort auf der Hand und ist gleichzeitig so groß und weit,
dass sie doch einiger Worte bedarf:

Wir feiern die vielen tausend Künstler:innen, die in diesen fünf Jahrzehnten die Festwochen gestaltet, belebt und geprägt haben,
die großen Namen, die aufstrebenden Künstler:innen, die regelmäßigen und seltenen Gäste.
Die großen Stimmen und feinen Instrumentalist:innen, die klanggewaltigen Ensembles und leisen (manchmal heimlichen) Stars.
Wir feiern mit ihnen – im Andenken und in persona.
So freuen wir uns über eine Rückkehr der beiden ehemaligen Künstlerischen Leiter – Alessandro De Marchi und René Jacobs – und zollen dem großen Meister Alan Curtis Tribut.

Wir feiern den Ort, an dem dies alles wachsen darf: Innsbruck.
An landschaftlicher Schönheit kaum zu überbieten, in seiner musikhistorischen Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung österreichischer Kulturgeschichte oft fälschlicherweise übersehen, mit einer Fülle an Spielstätten, an denen Alte Musik im Originalklang Wurzeln schlagen darf und zu etwas erblüht, das die Festwochen weltweit einzigartig macht:
Zu einem Festival, das sich der Alten Musik in seiner Bandbreite und allen Darstellungsformen widmet.

Wir feiern unser Publikum.
Ein Publikum, das über all die Jahre nie seine Neugierde verloren hat, das mit den Festwochen erwachsen und belesen in der Alten Musik wurde. Ein Publikum, das in seiner kennenden und offenen Aufmerksamkeit von den Künstler*innen dankbar und manchmal schon fast ungläubig wahrgenommen wird. Ein Publikum, zu dem sich erfreulicherweise immer wieder neue Gesichter hinzufinden, die der Anziehungskraft der Alten Musik nicht widerstehen können.
Ihnen allen – den neuen und altbekannten Gästen – schenken wir ein Fest im Hofgarten, einen ganzen Festwochen-Sommernachmittag bis obenhin gefüllt mit Musik.

Wir feiern die Musik, die Alte Musik im Speziellen. Dieses sonderbare Konstrukt, das in seiner altertümlichen Begrifflichkeit so manchen Menschen davon abhält, sich mit ihr beschäftigen zu wollen; dessen zeitliche Ausdehnung ein unscharfes «von – bis» ist,
Raum für Interpretation lässt und die Unmenge von etwa fünf Jahrhunderten Musikgeschichte umfasst; das in seiner Darbietung in
historischer Aufführungspraxis zu Beginn einer avantgardistischen Bewegung gleichkam – einer Rebellion gegen die gewohnte
Interpretationsweise – und sich ziemlich genau entlang der Existenz der Festwochen aus der Nische heraus ins
Programmbewusstsein einer breiten Kulturöffentlichkeit bewegt hat.
Wir feiern ihren Rhythmus, ihre Improvisationsfreude, ihre Komplexität in der Ausführung und Zugänglichkeit im Zuhören, ihre Emotionen, ihren Basso Continuo, ihre Da-Capo-Arien und ihr Instrumentarium.

Wir feiern Innsbrucker Festwochen. Nur hier kann zum 50. Jubiläum die «unaufführbare» Oper, Cestis «Il pomo d‘oro», erklingen;
nur hier gesellen sich Musikhistorie, eine im Ursprung begründete kleine Prise musikalischer Utopie und der unbedingte Wunsch
nach Alter Musik um ihrer selbst willen zu einem einmaligen Ereignis im Hier und Jetzt, das man nicht verpassen möchte.

Wir feiern! Das alles und noch viel mehr – im Programm der 50. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik –
und hoffentlich im Sommer 2026 mit Ihnen allen gemeinsam in Innsbruck.

Eva-Maria Sens & Ottavio Dantone